Sonntag, 30. August 2020

Spätsommerabend



Abends nach dem Homeoffice spaziere ich oft zum Weiher. Dort sitze ich auf einem der grossen, weissen Steine direkt am Ufer, schaue über die Wasseroberfläche und lasse mich von der Abendsonne wärmen.



Ich schaue dem Funkeln des Lichts auf der Wasseroberfläche zu, seinem Tanz auf den sanften Wellen. Immer wieder perlen Luftblasenketten an die Oberfläche, und irgendwo entstehen konzentrische Wellen, wie aus dem Nichts. Und immer wieder versuche ich zu ergründen, woher sie kommen, die Luftblasen und die kreisrunden Wellen: ein Krebs, ein Fisch, Muscheln oder gar Pflanzen? Doch das pechschwarze Moorwasser hält dicht und behält seine Geheimnisse für sich. Es lässt keinen meiner Blicke durch, und die Tiere sind mir immer ein paar Augenblicke voraus. So bleiben Luftblasen und Wellen weiterhin ein Rätsel, sie gehören zu einer anderen Welt, zu der ich keinen Zugang habe. Manchmal werfe ich Kieselsteinchen ins Wasser, um eine Reaktion zu provozieren und allfällige Fische an die Oberfläche zu locken. Doch keiner lässt sich von meinen plumpen Finten beeindrucken. Nur einen kurzen Moment lang bleibt alles angespannt still, um aber gleich im nächsten wieder seinen gewohnten, unaufgeregten Lauf zu nehmen: Wasserblasen tauchen auf, konzentrische Wellen entstehen, und ich, die angestrengt, konzentriert und vergebens versuche, deren Verursacher zu erhaschen.



Ich sitze und schaue, höre dem Plätschern des Wassers zu und dem leisen Schmatzen der Wellen, wenn sie ans Ufer klatschen. Ich schliesse die Augen, geniesse die Wärme und wähne mich am Meer. Ein Mini-Meer mit Mini-Wellen, aber es reicht, um Sommerferiengefühle wachzurufen. Ich höre die Geräusche am Strand, das fröhliche Summen des Stimmengewirrs, spüre den trockenen, weichen Sand, fühle die Weite und rieche das Wasser, den Sommer und die Freiheit. Und augenblicklich erfüllt mich Heiterkeit, innere Ruhe und tiefe Entspannung.



Ich sitze auf den warmen Steinen in der Abendsonne und betrachte die Libelle, die sich auf den Stein mir gegenüber gesetzt hat und dasselbe zu machen scheint wie ich: Wie ich geniesst sie die Wärme der letzten Sonnenstrahlen und die Ruhe der Abendstunde. Ihre Flügel schillern regebogenfarben im Licht. Bei der kleinsten Bewegung meinerseits aber fliegt sie davon, jagt hakenschlagend über die Wasseroberfläche, so blitzschnell, dass ich sie fast sofort aus den Augen verliere. Doch sie kehrt immer wieder zurück auf ihren Stein im sanften Licht der goldenen Abendsonne.