Freitag, 23. Februar 2018

Spaziergang in Weisslingen - fotografische Spielereien

Es gibt Tage wie diese, grau, windig, kalt - einfach rundum öde und garstig.



Heute habe ich zu überhaupt nichts richtig Lust und zum Rausgehen schon grad gar nicht. Das innere Kind stampft und trotzt: Es wird sicher nicht raus gehen! Es hat überhaupt keinen Bock, weder aufs Spazieren noch aufs Fotografieren. Es hat die immer gleichen Wege satt und findet die ewig gleichen Motive so was von langweilig! Auf gar keinen Fall und überhaupt kommt nicht in Frage! Doch da ist noch eine andere Stimme, eine leisere, warme, liebevolle, die sanft sagt: Du weisst, dass es dir gut tun wird, und wenn du erst mal draussen bist, ist es gar nicht so schlimm. Die Kamera kannst du ja einfach umhängen, du brauchst gar nicht zu fotografieren, wenn du nicht möchtest. Falls du dann doch etwas siehst, hast du sie wenigstens dabei.



Die mütterliche Stimme überzeugt mich und ich mache mich bereit für den Sonntagsspaziergang. Das trotzige Kind schreit lauter und wehrt sich nach Kräften, es hat immer noch überhaupt keine Lust. Da fällt mir ein, wie ich das Kind vielleicht doch noch überzeugen kann: mit einem Spiel! Wir spielen ein Spiel mit der Kamera, es nennt sich "Getting grounded". Das Kind hat aufgehört zu murren, schaut mich jetzt mit wachen Augen an und hört mir aufmerksam zu. Alle Fotos, die wir heute unterwegs machen werden, machen wir von Bodenhöhe aus,  aus dem Blickwinkel einer Maus sozusagen.



Das Problem dabei ist einerseits der Schnee und anderseits die Bildkomposition, denn selbst wenn ich mich auf den Bauch legen würde, wäre es schlecht möglich, vor dem Auslösen durch den Sucher zu schauen. Fürs erste Problem gibt's eine einfache Lösung. Sie heisst GorillaPod und ist ein leichtes Ministativ aus Plastik, das sich in alle Richtungen biegen und drehen lässt. Ich möchte nicht, dass die Kamera im Schnee oder Schlamm versinkt. Fürs zweite Problem gibt es mehrere Möglichkeiten: Ich kann runterknien und versuchen, das Foto so gut es geht zu planen. Oder ich kann alles auf Automatik stellen, mich über die Kamera beugen, auf gut Glück den Auslöser drücken und mich von der Kamera überraschen lassen. Oder Varianten dazwischen ausprobieren.





Das innere Kind ist voller Vorfreude und hat jeglichen Widerstand aufgegeben. Ich ziehe los. Draussen bläst ein eisiger Wind und es ist wirklich garstig, so dass ich meine übliche Spazierrunde abkürze. Aber in der Zeit, in der ich draussen bin, habe ich eine Menge Spass mit dem Rumexperimentieren. Ich bin so versunken in meinem fotografischen Spiel, dass ich die Zeit vergesse und erst wieder heimkehre, als meine Finger taub sind vor Kälte. Mit einem breiten Lächeln und einem jauchzenden Kind.


Die Fotos, die heute entstanden sind, erstaunen mich. Derselbe Weg wie immer, dieselben Motive - aber was so ein kleiner Perspektivenwechsel doch für einen Unterschied machen kann! Ich komme mit völlig anderen Bildern heim wie sonst, und jedes Bild ist eine kleine Überrachung.



Diese fotografische Übung ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern stammt vom Online-Kurs "Picture Spring" (https://tracey-clark.teachable.com/p/picture-spring-sp) von Tracey Clark (http://traceyclark.com). Ich kann den Workshop jeder/m empfehlen, der gerne rumexperimentiert und spielerisch-fotografisch in den Frühling starten will. Viel Spass!