Sonntag, 6. Mai 2018

Blütenträume - im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter

Der Frühling kam dieses Jahr spät, dann kam er geballt, und schon ist er wieder vorbei. Welcher Frühling? Der meteorologische? Oder der astronomische? Der meteorologische Kalender unterteilt das Jahr stur nach den Kalendermonaten in vier Jahreszeiten à drei Monaten. Der astronomische kennt ebenfalls vier ähnlich lange Jahreszeiten, errechnet Beginn und Dauer dieser aber nach einem  komplexen Sonnenstand-Modell. Den phänologischen Kalender kennt man weniger. Er unterteilt das Jahr nicht nach fixen Daten, sondern flexibel nach dem Blühen gewisser Pflanzen und anderen Naturbeobachtungen. So kennt er nicht vier, sondern immerhin zehn Jahresperioden. Doch selbst diese Unterteilung wird dem Jahr und seinen Veränderungen nicht gerecht.



Heute spaziere ich unter einer düsteren, grauen Hochnebeldecke, wie wir sie hier sonst nur im Winter kennen. Der garstige Wind der letzten Tage erinnert mich eher an Herbststürme als an Frühling. Und doch liegt auf den Wiesen das frisch gemähte Gras und in der Ferne leuchten gelb die Rapsfelder. Das traumhafte Blütenmeer, das ich auf diesen Fotos einzufangen suchte, ist jedoch schon Vergangenheit, und im Wald schliesst sich nun auch die letzte Lücke in den Kronen und Büschen zur undurchdringlichen grünen Wand. Die Zeit der Üppigkeit beginnt, der Sommer. Herbst im Frühling, der schon fast Sommer ist? 



Offenbar haben wir Menschen das Bedürfnis einzuordnen, zu katalogisieren und kategorisieren. Das gibt uns ein Gefühl zu verstehen, zu kontrollieren und zu beherrschen. Es gibt uns ein Gefühl für Sicherheit in einer Welt, die mit Intellekt und Logik nie ganz begriffen werden kann, und kontrolliert schon gar nicht.




Konzepte und Begriffe sind die Grundlage unserer gemeinsamen Sprache. Sie ermöglichen es, die Dinge zu benennen, so dass auch andere sie verstehen - zumindest ansatzweise. Doch sie sind grob und vereinfachend, und vielfach unzulänglich. Sobald es genauer werden soll, wird's schwierig, da fehlen uns die Worte und es kommt leicht zu Missverständnissen.

Die Welt lässt sich nicht einordnen und erklären. Kategorien und Sprache sind Hilfsmittel, das Universum jedoch ist unfassbar und widersteht hartnäckig jedem Einordnungs-, Erklärungs- und Kontrollversuch. Zuerst war da die Welt, danach kamen Konzepte und Sprache. Nicht umgekehrt. Manchmal vergessen wir das und sind dann verwirrt und verärgert, wenn das Leben sich nicht so verhält, wie wir es uns im Kopf so schön zurechtgelegt hatten.