Mittwoch, 26. Februar 2014

Frühlingsboten - Spaziergang in Weisslingen

Während ich hier oben am Waldrand sitze und die wärmende Sonne geniesse, gebe ich mein Warten auf den "richtigen Winter" definitiv auf. Auch wenn es noch etwas Schnee geben sollte, wäre es doch nur noch ein kurzes Intermezzo, denn der Frühlingsbeginn ist schon voll im Gange. Ich höre es hinter mir im Wald, wo es in den unterschiedlichsten Tonarten pfeift und flötet, im Laub raschelt und an Baumstämme hämmert. Greifvögel kreisen wieder paarweise über den Feldern, begleitet von ihren klagenden Schreien, und zwischen den Tannen kämpfen flatternd drei Krähen um Territorium oder Liebe.



Auch die Menschen bereiten sich vor: Der Mais auf den Feldern ist schon erstaunlich weit gewachsen, die Gartenbeete sind vorbereitet, die letzten Winterdekorationen von den Fensterbrettern verschwunden. Als Nero sich vorhin dem Biotop genähert hat, entstanden kurz einige kreisrunde Wellen auf der Wasseroberfläche. Ein erster Frosch am Laichplatz? Die Froschschutznetze stehen jedenfalls schon seit einigen Wochen bereit.



Noch traut man ihr aber nicht ganz, der neuen Jahreszeit.



Gemütlich sitze ich hier, geniesse die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und die Ruhe des friedlichen Sonntagmorgens. In der Ferne erkenne ich das gelbe Postauto, wie es in Richtung Pfäffikon fährt, klein und niedlich wie ein Spielzeugauto. Heute vor einer Woche, als ich Sonntagsdienst hatte, fuhr ich mit. Heute aber freue ich mich, dass ich nicht mit muss, sondern hier oben sitzen und meinen Blick über die Hochebene schweifen lassen darf.



Auch wenn ich es bedaure, dieses Jahr keinen Bilderbuchwinter erlebt zu haben, so spüre ich jetzt doch auch eine angenehme Entspannung und Erleichterung über den nahenden Frühling. Es fühlt sich an, als würde eine Eiskruste an der Sonne schmelzen, um den Weg zu Weite und Wärme freizumachen.


Donnerstag, 20. Februar 2014

Shades of Grey - Spaziergang in Weisslingen

Eigentlich weiss ich ja, dass es mir guttut. Und doch muss ich mich heute wieder wahnsinnig überwinden, um raus auf einen Spaziergang zu gehen.



"Es ist so kalt und grau, grässlich... Immer wenn ich frei habe, ist schlechtes Wetter, und wenn ich arbeiten muss, scheint die Sonne... Ich habe so keine Lust, am liebsten würde ich umkehren... Hoffentlich treffe ich niemanden, heute habe ich echt keinen Bock auf Smalltalk mit niemandem... Wäre ich doch daheim geblieben... Noch nicht mal einen rechten Winter gab's dieses Jahr... Sogar Nero bleibt bei diesem Wetter drinnen... Wenn man wenigstens zu zweit wäre, aber so alleine..." So jagt ein negativer Gedanke den anderen, als ich mich heute endlich zum Spaziergang aufmache.



Einmal losgegangen, marschiere ich einfach weiter. Meine Gedanken trotzen und bocken, vollführen die tollsten Kapriolen im Kopf, doch meine Beine setzen unbeirrt einen Schritt nach dem anderen und marschieren einfach weiter, das Tempo ruhig und konstant. Die Beine übernehmen die Führung, der Rest des Körpers pendelt sich nach und nach in diesen Rhythmus ein, bis zuletzt auch im Kopf Ruhe einkehrt.
Unter den Sohlen meiner Wanderschuhe knirscht der Kies. Ich spüre die frische Luft auf meinem Gesicht, nehme die Geräusche wahr. Je weiter ich marschiere, desto ruhiger werden meine Gedanken. Und je ruhiger meine Gedanken werden, desto mehr nehme ich wahr. Vergangenheit, Zukunft, Sorgen, Angst und Wut relativieren sich zusehends und verlieren an Terrain gegenüber den Sinneswahrnehmungen des jetzigen Moments. Bis ich auf dem Hügel oben angelangt bin, bin ich ganz präsent. Und bis ich schliesslich im Wald bin, fühle ich mich in einer anderen Dimension: weg von der Ameisenperspektive in die ewige Weite der ungerührten Natur.



Meine Beine laufen weiter, mein Geist wird leer und ruhig. Langsam fühle ich mich wieder offener, entspannter und heiter. Wegen der Wirkung, die diese Spaziergänge auf mich haben, nenne ich sie meine "meditativen" oder "kontemplativen" Spaziergänge. Dabei ist der Wald in Weisslingen gar nicht besonders idyllisch. Im Gegenteil, in der Anflugschneise des Flughafens gelegen, ist es hier oben weder besonders ruhig noch schön. Ein ganz gewöhnlicher, monotoner Nutzwald, der ohne jeden Sinn für Ästhetik und Umweltschutz intensiv genutzt und bewirtschaftet wird. Vielleicht hat er gerade deshalb diese Wirkung auf mich, weil er mit keinen Erwartungen verbunden ist?



Irgendwann stelle ich fest, dass es ganz so düster ja auch wieder nicht ist. Unterwegs entdecke ich ein paar unerwartete Farbtupfer und witzige Details - wie kleine Geschenke, die mir jemand auf den Weg gestreut hat, extra für mich. Witzigerweise passiert mir das auf solchen Spaziergängen immer wieder, dass ich völlig unerwartet auf etwas stosse, das mich staunen lässt: mal sind es Rehe, die meinen Weg kreuzen, mal ein ganz besonderer Pilz, mal eine Flugakrobatik-Staffel am Himmel oder die ganz spezielle Holzmaserung eines frisch geschnittenen Baumes.



Täusche ich mich oder singen die Vögel anders als noch vor ein paar Wochen? Das Vogelgezwitscher scheint wieder vielfältiger zu sein. Und leuchtet das Grün des Mooses nicht eine Spur intensiver als beim letzten Spaziergang? Ich ahne, dass die Natur im Verdeckten schon fleissig mit den Frühlingsvorbereitungen begonnen hat, auch wenn das auf den ersten Blick kaum sichtbar ist. Der Frühling naht also. Mein Glückspegel steigt kontinuierlich.



Das Grau macht mir nichts mehr aus, kalt ist mir auch nicht mehr. Ruhig, erfrischt und erfüllt, innerlich und äusserlich lächelnd kehre ich am Ende der Runde zurück zu Nero, Sofa, Tee und Lektüre.