Sonntag, 28. Mai 2017

Vom Älterwerden - alles gut?

Letzhin traf ich meinen Nachbarn Rolf im Garten. Ich grüsste ihn und fragte beiläufig: "Und, wie läuft's,  alles gut bei dir?" Rolf überlegte eine Zeitlang, schaute ins Grün hinaus und antwortete dann nachdenklich: "Ist jemals alles gut?"


Es gab einmal eine Zeit, als ich dachte, jetzt sei endlich alles gut: das Studium abgeschlossen, meinen ersten Vollzeitjob, frisch verheiratet, unsere erste "richtige" Wohnung. Endlich war alles gut. Und ich hegte keinen Zweifel daran, dass das von nun an auch so bleiben würde. Natürlich wurde ich eines Besseren belehrt und lernte, dass es den Zustand "immer alles gut" nur in Märchen, Hollywood-Filmen und Illusionen gibt, dass aber im wirklichen Leben nichts von Dauer ist, auch Happy Ends nicht.

Mittwoch, 17. Mai 2017

Spaziergang in Weisslingen - Schnecken

Auf meinem Spaziergang durch den Wald kreuzen heute immer wieder Weinbergschnecken meinen Weg. Meist sind es grosse, makellose Tiere mit wunderschönen, geschwungenen Häusern auf ihrem Rücken. Nur einmal entdecke ich auch eine junge Schnecke, fast hätte ich sie mit einem Kieselstein verwechselt.



Andauernd überqueren sie die Waldstrasse. Und alle sind sie von rechts und nach links unterwegs. Hat das etwas zu bedeuten, oder ist es reiner Zufall? Ist es vielleicht wetterbedingt?

Warum wollen all die Schnecken überhaupt auf die andere Strassenseite? Was glauben sie auf der linken Seite zu finden, was es auf der rechten nicht auch gäbe?

Wissen sie denn nicht, dass sie sich damit in Lebensgefahr begeben? Ahnen sie es, oder sind sie völlig sorglos in ihrem ruhigen Gleiten? Ich traue mich schon kaum mehr aufzusehen aus Sorge, ich könnte eine zertreten. 



Der ersten helfe ich noch auf die andere Seite, dann lasse ich es bleiben. Was weiss denn ich, ob sie wirklich rüber wollen, und was ihr wirkliches Ziel ist? Oder ob es ums Fortbewegen selber geht? Ob es vielleicht wichtig ist, einfach nur über Kieselsteine und Erde zu rutschen? 


Später finde ich an einer Stelle gleich eine ganze Anhäufung von Weinbergschnecken. Ein paar sind tot, einige Schneckenhäuser sind leer.  Eine klebt an einem Baumstumpf, mir ist nicht klar, ob sie gesund ist oder nicht. Ein paar kriechen im Gras herum. Was ist das für eine Versammlung? Ein Schneckentreffen zur Paarungszeit? Die Überreste eines Festmahls? Wer frisst denn eigentlich Weinbergschnecken - der Fuchs, Igel, Vögel? Grosse Vögel wie Krähen, oder auch kleinere?


Ich merke, dass ich vom Leben dieser Tiere, die mir seit je her immer wieder begegnen, keine Ahnung habe. Und dann höre ich auf das vielstimmige Vogelstimmenkonzert in den Baumkronen, und schaue die Wolken im Wind, und denke an die vielen Tiere unter der Erde, und an die immense Unterwasserwelt, in die ich beim Tauchen einen winzigen Einblick bekommen habe - und ich merke, dass ich von all der Vielfalt an Leben und Parallelwelten keine Ahnung habe, dass das oberflächliche Schul- und Wikipediawissen nicht mal an der Oberfläche dieser schieren Unendlichkeit und Vielfältigkeit kratzt. Alles Wissen kann das Mysterium des Lebens nicht erfassen. 
Und dann schaue ich wieder auf die kleinen Schnecken mit ihren perfekten Häusern, ihrem lautlosen Gleiten, dem faszinierenden Muster auf ihrer Haut, den wunderlichen Augen an den langen Stielen. Und für einen Moment streift mich der Hauch einer Ahnung vom Wunder des Lebens, von seiner Grenzenlosigkeit und Unfassbarkeit. 



Während ich wie eine Ameise meinen Wegen im Alltag folge, verstrickt in meinen Alltagssorgen und mich als Mittelpunkt meiner kleinen grossen Welt wähne, vergesse ich doch immer wieder, wie viel Unendlichkeit, Raum und Vielfalt mich eigentlich umgibt.