Freitag, 27. Juli 2018

Sehnsuchtsort Sommerferien

Es gibt nichts Schöneres für mich als Badeferien in Lignano Sabbiadoro - nicht Lignano Pineta, auch nicht im schönen Grado oder Bibbione. Caorle oder wie die anderen Badeorte entlang der adriatischen Küste weiter südlich alle heissen schon gar nicht. Meine Schwester hat einmal Rimini ausprobiert, ich Grado - und andere, nähere und exotischere Badedestinationen. "Lignano ist besser", lautet unser Urteil einhellig. Lignano Sabbiadoro, wo wir schon als Kinder unsere Badeferien verbracht haben. Im "Albergo Al Ponte" werde ich an meinem Anreisetag herzlich begrüsst: "Wir hatten dich schon viel früher erwartet!", die Bademeister des Ufficio Spiaggia numero 10 kümmern sich diskret um mein Revier - ein Sonnenschirm mit zwei Liegen, Reihe 13, Nummer 17. Wie früher, wie immer schon. Reaktivieren von Kindheitserinnerungen. Meine Ferien in Lignano geniesse ich doppelt, mit einem Bein der Gegenwart, mit dem anderen zurückversetzt in die Zeit meiner Kindheit.  Synchronisierte  Parallelwelten. Jeder Schritt überblendet durch dieselben Schritte in anderen Zeiten: ich als Kind, als Jugendliche, mit meinem Mann, meinem Freund, mit meiner Freundin.



Im gelobten Land meiner Kindheit hat sich nur wenig verändert: "Unsere" Pension hat jetzt "Wifi" und Klimaanlage, und letztes Jahr wurden kleine Balkone angebaut. Sie wird jetzt von der Tochter geführt, die ungefähr in meinem Alter ist. Da sie aber gleich aussieht wie ihre Mutter, verstärkt sich die Illusion, in die Zeit meiner Kindheit zurückversetzt zu werden. Den verrückten Kokosverkäufer am Strand gibt es auch immer noch - "Coccobelloooo, cocco di mamma, coccoooooo!" Der Eisverkäufer hat aufgerüstet, sein Wagen wird jetzt elektrisch betrieben, und er verkauft viel mehr als nur sechs Sorten selbstgemachtes Eis. Offeneis gibt es am Strand keines mehr, nur noch das abgepackte von Nestlé und Co. "Una pallina di cioccolata e una di stracciatella" sind Opfer moderner Hygienegesetze und internationaler Wirtschaftskonzerne geworden. Ich kaufe mir ein Strandkleid beim mobilen Kleiderhändler am Strand. Er ist aus dem Friaul, währenddem die Kleider- und Strandwarenläden im Zentrum allesamt fest in asiatischer - indischer? pakistanischer? srilankischer? - Hand sind. Ausnahmslos alle bis auf einen, bei dem ich aber trotz bestem Willen wirklich gar nichts finde, das ich ihm abkaufen könnte. Mit seiner Mode ist auch er in den 70er-Jahren stehengeblieben, mindestens.




Ich vermisse meine Familie, das Kindsein, Muschelsammeln am Strand früh morgens mit meiner Tante, die Strandfotografen mit ihren Plastikmuscheln, in die man sich zum Posieren hineinsetzen konnte, Herumplanschen mit meinen Cousins, meinen Onkel, der uns an der Hand hinter sich herzog, weil wir Angst hatten, im seichten Wasser auf einen Krebs zu treten. Die heile Welt der Kindheit, die  Familienidylle der unbeschwerten 70er-Jahre. Verklärt, nostalgisch, idealisiert, mit einem Hauch von Sepia wie die verbleichenden Fotos von längst vergangenen Sommerferien. Schöne alten Zeiten, die es so wohl gar nie gab. Dass die 70er-Jahre wieder Kult werden, zeigt nur, wie alt ich geworden bin.


Heute wähle ich selber aus, mit wem ich nach Lignano fahre und mit wem ich den Schatten meines Sonnenschirms teile. Ich wähle aus, welche Tischnachbarn in der Pension mir sympathisch sind, mit wem ich Freundschaft schliesse und welche Rituale ich pflege. Die meisten sind allerdings tatsächlich immer noch dieselben wie die, die ich von meinen Eltern übernommen habe. Hätte ich Kinder, wären sie wohl auch in deren DNA übergegangen. Ich entwickle aber auch neue Rituale wie lange Strandspaziergänge und einen "Macchiato" auf der Terrazza Mare am Morgen, und - ganz neu - einen Franciacorta vor dem Abendessen. Auf den Besuch des Luna Parks verzichte ich jetzt, ebenso auf den Bummel in der dichtgedrängten Fussgänger- und Lädenzone am Abend. Dafür lasse ich mir unendlich viel Zeit in meiner Lieblings-Buchhandlung mit dem schönen Namen "L'Elefante Bianco" und schlendere zum Verdauen durch die ruhigen Hintergassen, wo es nichts zu sehen und zu finden gibt, nur Ruhe, Duft nach Pinien und das laute Zirpen der Zikaden in der lauen Nachtluft.


Freitag, 13. Juli 2018

Zazen in Fischingen

 

Es ist wirklich schön,
etwas zu sehen,
und dann zu sehen,
dass es gesehen wird.

 

 

Text und Blumenarrangement von Bertold Albus, Fotos von mir, entstanden am Zen-Meditationstag in Fischingen ("Zazen bei den Benediktinern") diesen Frühling.

Sonntag, 1. Juli 2018

Frühstück im Garten - Sommer

Guten Morgen, heiteres Vogelgezwitscher aus dem undurchdringlichen Versteck der dicht bewachsenen Baumkronen!
Guten Morgen, erstes Joggerpärchen, in fröhlich gelb und pink leuchtenden Shirts und den farblich dazu abgestimmten Sportsocken!
Guten Morgen, scheues Kätzchen auf mutiger Erkundungstour durch nachbarschaftliche Gärten im Schutz der Sonntagsmorgenstille!




Guten Morgen, erster Motorradfahrer auf der beliebten Ausflugsstrecke, und guten Morgen erstes Auto auf dem Weg zur Arbeit, und guten Morgen erster Bus!
Guten Morgen, wieherndes Pferd auf der Koppel, und guten Morgen altes Shetlandpony beim morgendlichen Sonnenbad!
Guten Morgen, Lichterspiel der Sonne im Garten!


Guten Morgen, Mäusebussard, der majestätisch konzentriert seine Runden dreht, zwei auch direkt über meinem Kopf!
Guten Morgen, weisser Langhaar-Kater, wie immer schon beim Mausen auf dem Feld!
Guten Morgen, Plätschern des Brunnens!



Guten Morgen, alte Hundehalterin beim langsam-zähen Morgenspaziergang mit dem ebenso alten Hund!
Guten Morgen, dröhnender Oldtimer, elegant schwarz, frisch gewachst und blank poliert für diesen Tag!
Guten Morgen, angenehm säuselnder Wind, der die Blätter zum Rauschen bringt wie Regen oder Meeresbrandung!


Guten Morgen, Morgenfrische zu Beginn eines langen, heissen Sommertags!