Sonntag, 24. Februar 2013

Spaziergänge in Weisslingen - Die Stille ist immer noch weiss, aber nicht mehr ganz so still

Wenn ich beginne unruhig zu werden, angespannt und innerlich rastlos, wenn meine Gedanken anfangen, sich im Kreis zu drehen, dann weiss ich, dass es Zeit ist für einen "Wisliger" Spaziergang. "Wislig" sagen die Einheimischen zu Weisslingen, dem Dorf, in dem ich wohne. Dann marschiere ich los, ohne viel zu überlegen, einfach raus: rauf auf den Hügel, in den Wald, dem Waldrand entlang, an den Weiher, über die Felder. Durch die Bewegung in der Natur komme ich in der Regel langsam wieder runter und werde ruhiger. Mittlerweile weiss ich, dass mir das einfach gut tut. Mittlerweile weiss ich auch, dass ich die Kamera mitnehmen muss. Denn auch wenn es mir gar nicht ums Fotografieren, sondern ums Marschieren geht, sehe ich immer wieder Motive, die ich fotografieren möchte. Und schon mehr als einmal ist es vorgekommen, dass ich dann umkehren musste, um den Fotoapparat zu holen. Oder mich so geärgert habe, dass die ganze Ruhe wieder weg war.
Gestern hat es wieder geschneit und alles ist von einer frischen Schicht Neuschnee bedeckt. Der Schnee ist immer noch trocken und knirscht unter meinen Stiefeln.
Ich versuche, ganz lautlos zu sein, und horche. Es ist nicht mehr ganz so still wie noch vor ein paar Wochen. Die Waldarbeiter sind schon fleissig am Roden. Im Gebüsch höre ich das aufgeregte Gezwitscher einer Gruppe Blaumeisen - Balz und Revierkämpfe haben bereits begonnen. Das Hämmern eines Spechts und flötenartige Klänge eines mir unbekannten Vogels tönen aus dem Wald. Auch die Raben krähen häufiger als beim letzten Spaziergang, und ihr Krähen hört sich leichter, verspielter an. Obwohl alles noch unter einer dicken Schneeschicht begraben liegt, spüre ich den Frühling darunter, wie er drängt und und bereit ist zu spriessen, zu blühen und zu explodieren in einem Schwall an Tönen, Farben und Gerüchen.
Es geht nicht mehr lange, die Tiere spüren es, die Pflanzen wissen es. Der Frühling ist schon lange da, bevor wir ihn sehen. Vielleicht ist es das etwas andere Licht, die längeren Tage oder die Kälte, die nicht mehr ganz so eiskalt ist. Aber auch ich fühle ihn förmlich in der Luft. Der Frühling ist da und wartet auf seinen Ausbruch. Doch noch ist der Winter mit seinem Weiss und seiner Stille.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Gefunden!

Wie drückt man Freude aus? Jubel, Dankbarkeit, Erleichterung?



Wieso kommt mir bei der Freude im Gegensatz zur Trauer als erstes Musik und kein Foto in den Sinn? Egal, ich bin überglücklich, und Nero scheinbar auch. Eine Reihe von unglaublichen Zufällen hat dazu geführt, dass ich ihn wiedergefunden habe. Ich würde gerne ausführlich darüber berichten, aber ich bin viel zu müde dafür. Schliesslich habe ich seit Samstag keine Nacht mehr als zwei, drei Stunden geschlafen. Ich werde das aber bei Gelegenheit nachholen (den Bericht, nicht den Schlaf, damit beginne ich hoffentlich schon in einer Stunde). Hier schon mal die Kurzfassung: Er war eingesperrt in einem Schuppen der Nachbarn. Dort habe ich ihn und er mich wieder gefunden. Den Rest des Nachmittags haben wir mit Schmusen und Fressen verbracht. Grande Fiesta! Mit einem grossen Mocken Fleisch, Wein und Musik!


 
 

Dienstag, 19. Februar 2013

Trauer



Wie fotografiert man Trauer? Wie drückt man die Stille und die Leere aus, die plötzlich im Haus herrscht? Keine erfüllte Stille, sondern eine, die aus einem Mangel entspringt. Wie drückt man den Schmerz aus, wenn ein geliebtes Wesen, mit dem man die letzten zwölf Jahre lang zusammengelebt hast, von einem Moment auf den anderen einfach weg ist? Wie drückt man das Entsetzen aus ob der Vorstellung, dass dein liebevoller, zuverlässiger und ständiger Begleiter seine letzten Tage allein, verängstigt und schmerzerfüllt unter einer Holzbeige in der Kälte verendet ist?


Ich stelle mir vor, dass Nero in der dritten Nacht gestorben ist. Es war eine sternenklare Nacht, eiskalt. Ich stelle mir vor, dass die Schmerzen langsam nachgelassen haben, dass er die Kälte nicht mehr gespürt hat und mit einem letzten Blick auf den wunderschönen Sternenhimmel langsam eingeschlafen ist.




Sonntag, 17. Februar 2013

Der Hase ist weg

Der Hase ist kein Hase, sondern mein Kater Nero. Er ist seit gestern Abend verschwunden.
 

Er, der seit Monaten gerade mal schnell zum Pinkeln rausgeht, weil es ihm viel zu kalt und zu nass ist, ist seit gestern weg. Ich habe am Abend noch Katzengeschrei gehört, bin dann auch kurz raus, habe aber nichts gesehen. Die üblichen Kämpfe mit der Nachbarskatze, dachte ich mir. Als ich mitten in der Nacht aufgewacht bin, habe ich gleich gewusst, dass er immer noch nicht da ist und dass etwas passiert sein muss. Da bin ich raus, ums Haus herum, der Strasse entlang, in den Schuppen, habe gerufen und gesucht, den Nachbarshund geweckt, der wiederum den Nachbarn geweckt hat, aber von Nero keine Spur. Zum Glück haben die Nachbarn Verständnis - als Tierhalter kennen sie diese Sorgen nur zu gut. Heute Morgen bin ich wieder suchen und rufen gegangen, obwohl ich genau weiss, dass es nichts bringt. Wenn er nicht kommen will, kommt er nicht. Wenn er sich vor Angst verkriecht, kann ich noch so rufen. Und wenn er nicht kommen kann... Da malt man sich die schlimmsten Dinge aus, was passiert sein könnte - auch das kennen alle, die Katzen haben oder Hunde, die immer wieder mal ausbüchsen. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Und jedes Mal hoffe ich, dass das nicht das letzte Mal ist.

Also habe ich gewartet...















...und Harfe geübt...




...und gekocht, und gekocht, und noch mehr gekocht, bis es nichts mehr zu kochen gab, ...
...und ich genug Essen für die ganze kommende Woche hatte.
Und jetzt werde ich wieder suchen und rufen gehen, und sei es nur, damit er hört, dass ich ihn suche, falls er irgendwo verletzt, verzweifelt und verängstigt in der Kälte liegt.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Spaziergänge in Weisslingen - Miksang auf dem Land

Miksang scheint zu polarisieren: die einen sprechen die Bilder an, andere können gar nichts damit anfangen. Auf keine anderen Blogeinträge zu meinem Kreativitätsurlaub habe ich so viele Reaktionen bekommen wie auf die über die Workshops Miksang 1 und Miksang 2.

Letztes Wochenende hat mich wieder die Lust auf Miksang-Fotografie gepackt. Bis jetzt habe ich Miksang nur in städtischen Gebieten geübt. Da es an meinem Wohnort aber alles andere als urban ist, ist eine "Miksang auf dem Land"-Serie entstanden.





Was mir an Miksang gefällt, ist, auch im Unscheinbaren, Alltäglichen und auf den ersten Blick Hässlichen Schönheit zu finden. Das fängt beim Fotografieren an, ist aber letztendlich eine Lebenseinstellung, die ich weiterpflegen möchte. Voraussetzung ist, genau hinzuschauen - und wo vorher nur eine Pfütze war, an der ich sonst achtlos vorbeigehe, sehe ich jetzt braunes Laub, das im klaren Wasser schwimmt. Das Wasser ist kein bisschen trüb und sieht eiskalt aus. Die Blätter sind glatt und wirken darin wie konserviert. Obwohl sie wahrscheinlich schon lange am Boden liegen, sind die meisten noch unversehrt. Ich kann all die feinen, perfekt angeordneten Linien der Blattadern erkennen. Die Blätter liegen teilweise einzeln und teilweise übereinandergeschoben im Wasser, nur wenige Stellen ragen aus der Wasseroberfläche heraus. Zusammen mit Erde, Kieselsteinen, kleinen Holzteilchen und Tannnadeln bilden sie ein braun-graues Gemälde, auf dem ein einzelnes, leuchtend grünes Blatt heraussticht, ohne die Gesamtkomposition zu dominieren. Und je länger ich hinschaue, desto mehr Details sehe ich. Die Schönheit einer Pfütze, ist sie nicht ergreifend, wenn man sie einmal erkannt hat?

Freitag, 1. Februar 2013

Spaziergänge in Weisslingen - Die Stille ist weiss

An meinen freien Tagen gehe ich gerne spazieren, immer hier um Weisslingen herum, meistens in der gleichen Gegend. Die Umgebung scheint zwar immer dieselbe, und doch sehe ich immer wieder Neues, oder Altbekanntes neu, oder Altbekanntes, das sich verändert hat im Laufe des Tages und der Jahreszeit. Die Natur ist im ständigen Wandel, und jeder Eindruck ist einzigartig.



Auf den verlassenen Felder der Gärtnerei treffe ich niemanden. Zwischen Kantonsstrasse und Wald stehen jetzt nur noch karge Büsche und Reste vergessener Blumen in Reih und Glied. 

Auch am Weiher ist es still, nicht einmal mehr die Enten sind da. Schnee und Eis decken die Welt zu. Das Licht ist so leicht und diffus, dass ich mich in einem schwarz-weiss Foto wähne. Doch auch jetzt ist die Welt nicht farblos. Ich sehe Schwarz und Braun, in unterschiedlichsten Tonalitäten und Intensitäten. Zusammen mit dem dominierenden Weiss bilden diese Erdtöne einen Kontrast, der extrem stark ist und dennoch unglaublich zart wirkt.



Ich vergesse die Kälte, das Rauschen der Autos auf der nahen Strasse und das Röhren der Flugzeuge im Landeanflug. Ich versenke mich ganz in der weissen Landschaft, bis ich eins werde mit der Stille, die alles durchdringt, eine erfüllte, erfüllende Stille jenseits aller Geräusche.  


P.S. "Die Stille ist weiss" stammt nicht von mir, sondern vom Fotokünstler, der einen seiner Fotografie-Workshops so nennt (Netzphoto, Zen Art - Die Stille ist weiss). Mehr Fotos von diesem Spaziergang auf meiner Flickr-Seite im Album Spaziergänge in Weisslingen.