Freitag, 29. April 2016

Spaziergang in Weisslingen - Aprilwetter

"Vergangene Woche hat es zweimal geschneit und zweimal war es fast sommerlich heiss. Und dazwischen? Kann mich gar nicht mehr erinnern. Heute sind wir wieder auf der winterlichen Seite, sauber aufs Wochenende hin, wie letztes Wochenende auch schon..."


"So so, ich bin also eigen... eigen... wie er das wohl gemeint hat? Aber auch nicht mehr als andere, oder? Ich werde bei Gelegenheit nachbohren, obwohl ich sehr wahrscheinlich keine nützliche Antwort darauf erhalten werde. Es würde mich halt nur interessieren, auf welche Art eigen, und ob er sich dabei auf etwas Konkretes bezieht."


"Na ja, vielleicht ist es schon ein bisschen eigen, sich auf fremde Grundstücke zu schleichen, um perfekt geordnete Gerätschaften zu fotografieren. Oder fasziniert in schlammige Pfützen zu starren und die Linien, Muster und Farben darin zu untersuchen."


"In Weisslingen ist das allerdings sehr eigen. Hier ist es schon eigen, im Wald spazieren zu gehen, und dann noch allein, und dann noch mit einer Kamera! Das ist der Gipfel der Eigenheit. Aber für mich zählt das jetzt nicht richtig, denn ein paar Kilometer weiter in der Stadt würde sich niemand darum scheren. Glaube ich zumindest."


"Unglaublich, wie intensiv grün jetzt alles ist! So viele Nuancen an Grün gibt es nur im Frühling! Der Frühling ist grün und gehört den Vögeln - wunderschön, wie die jetzt singen, selbst bei diesem grauen, kalten und nassen Wetter."


"Ich weiss ja, dass er es nicht negativ gemeint hat. Trotzdem... eigen... Dabei führe ich doch ein ziemlich unspektakuläres Leben, bemühe mich, die gesellschaftlichen Normen einzuhalten, mich möglichst regelkonform zu verhalten und niemandes Gefühle zu verletzen. Total langweilig. Und dennoch eigen... Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, ich finde es einfach nur verwunderlich..."


"Was gäbe ich drum, mich mal von aussen sehen zu können. Anstatt in die Vergangenheit zu reisen und einen Tag bei den Römern zu verbringen, wäre es doch auch höchst interessant, sich einmal von aussen zu erleben. Mich einmal so wahrzunehmen, wie andere es tun... Obwohl, wenn ich mir das so überlege... Vielleicht besser doch nicht..."


"Die Froschschutznetze sind schon weggeräumt! Erstaunlich. Ist denn die Laichzeit schon vorbei? Das kann doch fast nicht sein. Wahrscheinlich hat es hier einfach keine Frösche mehr, alle ausgestorben, vertrieben durch die intensive Landwirtschaft und überfahren auf der Kantonsstrasse. Ich habe ohnehin noch nie einen Frosch entlang der Netze und erst recht nicht in diesen weissen Eimern gesehen, die sie retten sollen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass Frösche ausgerechnet da reinhüpfen würden. Wahrscheinlich stellen sie diese Netze eh nur pro forma auf, weil sie von Gesetzes wegen müssen. Ich habe jedenfalls noch nie jemanden gesehen, der diese Eimer kontrolliert und leert. Vielleicht tue ich ihnen jetzt aber auch Unrecht. Vielleicht ist das wieder eine bösartige Unterstellung von mir, und ganz früh morgens oder nachts eilen ein paar tierliebende freiwillige Helfer mit den Eimern zwischen Wald und Weiher hin und her..."


"Heute bin ich aber auch wirklich gar nicht gut drauf. Grantig. Kein Wunder, bei diesem Sauwetter. Ich hätte halt schon gerne ein bisschen den Frühling genossen, jetzt wo alles so schön blüht... Anderseits ist es ja im Grunde auch jedes Jahr wieder das Gleiche... Anderseits verregnet es ihn auch jedes Jahr von neuem..."


Plötzlich muss ich lachen, über mich selber, über mein schlecht gelauntes Geschnatter im Kopf, das mich jetzt schon den ganzen Weg begleitet: einerseits, anderseits, aber, hingegen, vielleicht, wahrscheinlich und wieder anderseits. Grummel, grummel. Ich lache über mein griesgrämiges Motzen, das ich auf einmal tatsächlich ein wenig wie von aussen betrachten kann. Und mit dem Lachen kommen auch Leichtigkeit und Frische zurück. Ich habe sogar das Gefühl, plötzlich besser zu sehen! Alles um mich herum erscheint klarer und leuchtender, als ob jemand die Fenster frisch geputzt hätte.
Jetzt nehme ich auch den wunderschönen Vogelgesang wieder wahr, der laut vom Wald her erklingt: Da zwitschert und krächzt und pfeift und trällert und säuselt und hämmert und piepst und rattert und schnattert und schreit und gurrt und flötet und zirpt es um die Wette. Der wunderschöne Vogelgesang erfüllt den weiten Raum und die Stille dieses Sonntagmorgens. Und ich mittendrin, mit all dem verbunden.
Ich lasse mich vom Vogelgesang auf dem Rückweg begleiten. Das Murren im Kopf ist zwar immer noch da, doch ist es ruhiger geworden, entspannter und wird mit jedem Schritt leiser. Und so kehre ich doch noch erfrischt, erfüllt und lächelnd nach Hause zurück, gerade noch rechtzeitig, bevor es zu schneien beginnt.