Freitag, 5. Februar 2016

Den Norden entdecken

Zu meinem runden Geburtstag gönne ich mir eine ganz besondere Reise. Ich, die es sonst in die Sonne und Hitze des Südens zieht, möchte dieses Jahr den Norden entdecken. Den hohen Norden. Den richtig hohen Norden.

Ich habe mich für eine Fotoreise nach Lappland, Finnland, angemeldet. Wenn schon, denn schon, und zwar gleich von Anfang an. In Rovaniemi, wo wir landen, verläuft nämlich erstens der nördliche Polarkreis genau durchs Flughafengebäude, und zweitens wohnt dort der Weihnachtsmann. Der Polarkreis liegt auf dem 66. Breitengrad und bildet die mathematische Grenze zwischen der gemässigten Klimazone und der Polarzone. Jenseits dieser Linie beginnt also die Arktis! Das nenne ich einen würdigen Reisebeginn für eine Entdeckung des Nordens.



Von Rovaniemi aus geht es gleich mit dem Auto weiter, vielleicht stundenlang, auf einer möglicherweise schnurgeraden Strasse, wahrscheinlich mitten durch dunkle, verschneite Wälder...  Zum Glück sind die Bären im Winterschlaf... Wenn jetzt das Auto ausfallen würde, oder ein Elch plötzlich die Strasse überqueren würde… Nicht auszudenken, wie schnell wir hier erfrieren würden, verloren in der weiten, verlassenen Landschaft an der Grenze zu Russland… James Bond kommt mir in den Sinn, Männer in weissen Tarnanzügen… Würden sie uns jetzt retten, statt gnadenlos die Kehle durchzuschneiden? Oder würden uns Samen finden und auf Rentierschlitten zu ihren Zelten führen? Und in den warmen, weichen Fellen liegend würde mein letzter Blick auf das wunderschöne Nordlicht am sternenfunkelnden Himmel fallen…



Fakt ist, dass ich keine Ahnung habe. Meine romantischen Vorstellungen reichen über die Bilder auf der Website des Gästehauses (http://www.oivanginlomakartano.fi/en) und die des Fotokünstlers (http://www.netzphoto.com/finnland-winter.html) nicht hinaus. Trotz Internet und Wikipedia weiss ich nicht, was mich erwarten wird. Wie fühlt sich das Leben “dort oben” an? Wie tief ist die Stille, wie weit die weite Landschaft? Wie dunkel ist die Nacht? Wie ist der Blick der Menschen? Wie schmeckt ihr Essen, ihr Wasser, ihr Bier? Wie klingt ihr Lachen und ihre Sprache, wie tönen ihre Lieder? Wie fühlt sich der Schnee an und der Wind?

Meine direkten Erfahrungen beschränken sich auf die Begegnung mit einem finnischen Au-Pair-Mädchen vor langer Zeit und auf die Filme von Aki Kaurismäki, die ich als Jugendliche so geliebt habe, mit ihrem lakonischen Humor, viel Melancholie, finnischem Tango und Schnaps. Ein bisschen mulmig ist mir schon wegen meiner Kälteempfindlichkeit, aber ich freue mich riesig auf die Entdeckungen, die mir keine App ersetzen kann.