Samstag, 20. Februar 2016

Finnland-ABC - Teil 1

A wie Ankommen: Ich bin zwar schon seit einer Woche aus Lappland zurück, richtig angekommen bin ich aber noch nicht. Ein Teil von mir ist immer noch in unserer gemütlichen Blockhütte, stapft mit Schneeschuhen durch die verschneiten Wälder, riecht den Rauch am knisternden Feuer, freut sich auf die köstlichen Suppen, mit der Tuula uns abends überrascht, und staunt über die schönen Fotos der Reisegefährten bei der abendlichen Bildbesprechung - zehn Personen, die alle dasselbe gesehen haben, und doch ist jedes Foto anders. Ich sehe das liebenswürdige Lächeln unseres Gastgebers Heikki vor mir, höre fasziniert dieser fröhlich klingenden Sprache zu, wenn die Finnen miteinander reden, ruhig und freundlich. Ich sehe die verschneiten Tannen kerzengerade im Wald stehen. Überall schneeweisser Schnee, nichts ist nicht schneebedeckt: die zugefrorenen Seen, die langen, geraden Strassen, der unendliche Wald. Die Landschaft ist ruhig und weit, die Menschen ebenso.



B wie das Blockhaus, in dem wir gewohnt haben. Blockhäuser gibt es viele in Lappland. Sie passen ja auch perfekt in diese märchenhafte Landschaft. Jetzt weiss ich, dass sie nicht nur romantisch aussehen, sondern auch total gemütlich sind. Ich war überrascht, wie gut sie gegen Kälte isolieren und wie angenehm das Raumklima ist. Vielleicht habe ich mir das eingebildet, aber ich hatte das Gefühl, dass ständig ein Hauch von Nadelholzduft in der Luft lag.



C wie Chris. Chris White war unser Tourenleiter vor Ort. Chris ist Keramiker und stammt aus England. Von da hat er auch seinen feinen Humor. Als junger Mann ist er nach Finnland ausgewandert und hängengeblieben, weil es ihm hier so gefiel. Er könnte sich nicht vorstellen, woanders zu leben - "too many people", meint er. Chris lebt von seiner wunderbaren Keramik, von seiner Arbeit als Tourenführer und wohl von manch anderem Gelegenheitsjob.


Auf unserer letzten grossen Schneeschuhwanderung im Riisintunturi Nationalpark gerieten wir mitten in dichten Nebel. Wir wanderten weiter bergauf in einer immer irrealer werdenden Landschaft, umgeben von Trollen und Riesen, die langsam lebendig zu werden schienen. Alles war ruhig, auch wir wurden ruhiger. Es war magisch, wunderbar und gleichzeitig auch etwas unheimlich. Ich kam mir vor wie auf einem anderen Planeten.



Plötzlich war ich mir sicher, dass wir uns verlaufen hatten, und dass auch Chris nicht mehr wusste, wo wir waren. Er konnte es einfach nicht wissen, denn da war kein Weg mehr sichtbar, keine Markierung, kein irgendwelches Zeichen, das eine Orientierung ermöglicht hätte.



Die Landschaft war mystisch, Himmel und Erde flossen grenzenlos ineinander über, eingetaucht im gleichen grau-weissen, milchigen Licht, Kontouren waren keine mehr erkennbar, alles war vom Nebel verschluckt.



Aber nein, Chris wusste genau, was er tat, und kurz danach sassen wir tatsächlich wie angekündigt in der Berghütte am Feuer, das er für uns vorbereitet hatte, tranken den Kaffee, den er für uns gebraut hatte, und assen die Würste, die er für uns gegrillt hatte.



Der Mann ist so bescheiden, dabei hat er mit seiner Keramik schon etliche Preise gewonnen. Mitten auf der Tour erhielt er einen Telefonanruf. Er nahm kurz ab und entschuldigte sich anschliessend dafür, "business". Als ich ihn danach fragte, antwortete er, der Ministerpräsident habe für einen Staatsempfang als Geschenk für seine Gäste Teelichter bestellt - "it happens sometimes". Chris White Ceramics http://chriswhiteceramics.com