Sonntag, 15. Oktober 2017

Fotoreise in die Normandie - Ankunft in Étretat

Während bei uns bereits der Herbst eingebrochen war mit einem Wetter, das eher zum November als zu Anfang September passte, hat mich die Normandie mit einem strahlenden, warmen Spätsommertag empfangen.



Ich hatte lange mit mir gerungen, ob ich überhaupt an dieser Fotoreise teilnehmen sollte. Die weite, komplizierte Anreise mit Taxi, Zug und Bus, zum ersten Mal seit langem wieder alleine unterwegs, das viele Geld, das "nordische" Wetter, die ungewisse Rückreise - das alles bereitete mir Sorgen. In meiner Jugend und auch noch mit vierzig wäre ich die Reise freudig und voller Tatendrang angegangen, doch würde ich das jetzt mit über fünfzig auch noch schaffen? Anderseits waren im Reiseprogramm all die Orte aufgeführt, die ich schon lange einmal sehen wollte: Der Mont-Staint-Michel, die historischen Stätten des D-Days, die Klippen, die auf französisch so viel schöner klingen: "Les Falaises". Dann auch noch Giverny mit Haus und Garten von Claude Monet und die kleinen Städtchen und Fischerdörfer in einer Landschaft, von der ich bereits mit zwanzig geträumt hatte.
Damals stand ich auf der gegenüberliegenden Seite des Meeres. Ich hatte mir zum Abschluss meines Au-Pair-Aufenthalts in London noch ein paar Tage Ferien gegönnt und bin der Küste Cornwalls entlanggewandert. Auch auf der englischen Seite gibt es einen St. Michael's Mount, gibt es pittoreske Fischerdörfer und schmucke Städtchen, auch dorthin reisten viele Maler, weil sie von Küste und Licht magisch angezogen wurden. Aber das Original, schien mir, lag dennoch auf der anderen, der französischen Seite des Ärmelkanals. Da würde ich auch einmal gerne hinreisen, wünschte ich mir.
Deshalb habe ich mich jetzt, trotz allen Bedenken und Zweifel, angemeldet. Und natürlich hat es sich gelohnt! Es lohnt sich immer, und sei es nur, um über seine Ängste zu siegen. Vor allem deswegen. Aber auch sonst war diese Reise äusserst reichhaltig und lohnenswert. Die Fotoreise wurde von der Leica Akademie angeboten und vom Fotografen Oliver Vogler geleitet.  

Am Hang oben das wunderbare Hotel "Dormy House" in Étretat, wo wir gewohnt haben.


Das Wetter war so trist bei uns, dass ich das Bikini fast zu Hause gelassen hätte. Aber Meer ist Meer und man kann nie wissen. Also packte ich es im letzten Moment doch noch in den Koffer. Zum Glück! Denn das erste Highlight der Reise - vielleicht das wichtigste überhaupt - erwartete mich gerade mal knapp eine halbe Stunde nach meiner Ankunft im Hotel. 



Ich spüre jetzt noch, wie mich das klare Wasser empfängt, als ich ungelenk über die grossen Kieselsteine fast schon ins Meer hineinstolpere, wie angenehm erfrischend und sanft zugleich es sich auf der Haut anfühlt. In einem Augenblick sind die ganze Anspannung und Müdigkeit der langen Reise weggewaschen. Wer hätte gedacht, dass es im Norden schöner und wärmer ist als im Süden! Und dass ich heuer noch einmal im Meer baden würde! Ein tiefes Glücksgefühl erfüllt mich. Auch nachher, als ich mich auf den Steinen sitzend von der Sonne trocknen lasse, weiss sich, dass sich die weite Reise jetzt schon gelohnt hat. 




Das Bad im Meer hat mich ebenfalls Überwindung und Mut gekostet - "Und wenn es kalt ist? Was werden die Leute denken? Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt? Wäre es nicht vernünftiger, erst mal in Ruhe anzukommen und auszupacken?" usw. Auch dieses Überwinden hat sich voll gelohnt. Stolz, Spass und Freude erfüllen mich, als ich am Strand sitze und übers Meer schaue. Ich weiss, dass es richtig und wichtig war, mich für diese Reise und auch für das Bad im Meer zu entscheiden, trotz all meiner Zweifel und Bedenken. Es sind Momente wie diese, die sich tief in mein Herz und meine Gedächtnis einprägen, und die mir später einmal Mut machen werden, wenn meine Ängste wieder überhandnehmen wollen.




Übrigens war es für den ganzen Rest meines Aufenthalts in der Normandie nie mehr so heiss, dass man hätte baden können.